Freitag, 18.11.2011. Dichter Nebel in Ostfriesland. Die Mitglieder der Ge­mein­deleitung aus Nordhorn machen sich auf den Weg nach Norden. Zum Teil sind auch die Familien mit dabei. „To huus“ in Norden ist unser Quar­tier und wir genießen zwei Tage, die nicht nur durch die Arbeit mit der Ta­ges­ordnung geprägt sind. Ganz be­wusst sollen auch andere Dinge zum Zuge kommen z.B. beim ge­mein­samen Kochen am Samstagabend.

Man sagt: Viele Köche verderben den Brei. Nicht so bei der Ge­mein­de­leitung. Wir haben gemeinsam ge­kocht – zum wiederholten Mal schon. 15-20 Köche und am Ende stand ein beeindruckendes Abendessen. Team­arbeit ist gelungen und sie gelingt nicht nur beim Kochen, sondern auch bei der Arbeit an schwierigen The­men. In der Gemeindeleitung gilt: Viele Köpfe verfeinern sowohl das Essen, als auch das Gespräch über den Weg der Gemeinde. Allerdings darf, was das Essen angeht, nicht vergessen werden, dass Herma Lies­ke, Conny Jahn und Sarina Sale uns ganz hervorragend unterstützt ha­ben, sowohl bei unserem ge­mein­samen Kochen, als auch bei den übrigen Mahlzeiten. Dank ihrer Ar­beit haben wir ein Klausur­wo­chen­ende in kulinarischer „Bestgestalt“ erlebt. (Warum jetzt gerade dieses Wort, erklärt sich weiter unten in diesem Bericht.)

„Taufe und Mitgliedschaft“ – das alte bap­tistische Thema haben wir uns vor­genommen. Wir sind davon über­zeugt, dass wir das Erbe der bap­tis­tischen Eltern und Großeltern nur dann richtig werten und wert­schätzen können, wenn wir es in den Fragenkontext der Gegenwart ein­ord­nen. Und diese Fragen liegen vor allem auch in unserem Umgang mit der Taufe der anderen Kirchen um uns herum. Oder anders gefragt: Wie schaffen wir es, unsere Tradition nicht als kalte Asche zu bewahren son­dern als lebendiges Feuer weiter­zu­tragen?

Wir haben uns kompetente Unter­stützung für diese Tage eingeladen: Prof. Dr. Erich Geldbach war am Frei­tag und Samstag gemeinsam mit sei­ner Frau nach Norden gekommen und hat unsere Gemeinschaft und auch unsere Beratungen unterstützt. Er hat uns vor allem sehr umfassend über die geschichtlichen Ent­wick­lun­gen bezüglich der Taufe informiert und ist mit uns der Frage nach­ge­gangen, wie es eigentlich zu der schein­baren Unüberbrückbarkeit der unterschiedlichen Taufpraktiken in den unterschiedlichen Kirchen kom­men konnte.

Und da musste man recht früh in der Geschichte der Kirche beginnen. Klar, die ersten Generationen in den christ­lichen Gemeinden tauften keine Kinder. Im Neuen Testament lesen wir nichts davon.

Unterschiedliche Schwerpunkt­e im Tauf­verständnis ent­stan­den während der ersten beiden Jahr­hun­derte. Ab et­wa 200 n. Chr. ist be­legt, dass es ei­nige Taufen von Unmündigen gab.

Später dann, als das Christentum im vierten Jahrhundert Staatsreligion ge­worden war, als die Bibel in­zwi­schen als Schriftensammlung vorlag, so wie wir sie kennen, verfestigte sich die Gewohnheit, Kinder zu tau­fen und wurde zur Normalität. Zeit­gleich wurde durch Augustinus eine Antwort auf die Frage gegeben, in­wie­fern jeder Mensch Sünder ist. Er „erfand“ das Konstrukt der Erbsünde, die über den Geschlechtsakt weiter­ge­geben wird. (Von hier aus erklärt sich auch die über 1600 Jahre bis heute wirkende Leib- und Se­xu­al­feind­lichkeit der Kirchen.) Nun konn­te die Taufe nicht früh genug statt­finden, denn dadurch wurde die Erb­sünde abgewaschen. Man hätte den Kindern – dem damaligen Ver­ständ­nis entsprechend – großes Unrecht zugefügt, wenn man sie nicht ge­tauft hätte.

Diese Sichtweise verfestigte sich in der Kirche über 1000 Jahre bis zur Reformationszeit. Im 16. Jahrhundert änderten sich zwar die theologischen Grundlagen – die Praxis, Kinder zu tau­fen, wurde aber weitgehend bei­be­halten (mit Ausnahme der Täu­fer­be­wegungen).

Baptisten entstanden nicht als un­mit­tel­bare Nachfahren der Täu­fer­be­we­gungen in Mitteleuropa, sondern sie haben ihren Ursprung in England und in der Auseinandersetzung mit der anglikanischen Kirche. Obwohl die erste Baptistengemeinde 1608 in Amsterdam gegründet wurde, so wa­ren es doch englische Re­li­gions­flücht­linge um den ehemals anglikanischen Priester John Smyth und dessen Mit­strei­ter Thomas Helwys. Schon 1611 kehr­ten sie nach England zurück.

Seither spätestens gibt es die Aus­ein­an­der­setzung um die Taufe und de­ren richtiges Verständnis.

Baptisten in Deutschland mussten un­ter unwürdigen Bedingungen er­le­ben, was es bedeutet, wenn Kirche und Staat vermischt und nicht an­ge­messen getrennt sind. Kinder nicht taufen zu lassen, war im Deutschland des 19. Jahrhunderts ein justiziables Vergehen der Eltern und wurde durch staatliche Behörden geahndet.

Erst in der „ökumenischen Epoche“ der Kirchen (in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts) ist es möglich ge­wor­den, miteinander über all diese Dinge zu reden und das gegenseitige Verstehen zu suchen.

In den letzten dreißig Jahren fanden einige Gespräche zwischen den Bap­tis­ten und anderen Konfessionen über die Frage der Taufe statt und im­mer wieder wurde und wird in die­sen Gesprächen festgestellt, dass die bap­tistische Auffassung der Taufe, die­jenige ist, die aus dem neuen Testament zu erkennen ist. Daran be­steht heute kaum ein Zweifel. Kri­ti­siert wird allerdings immer wieder, wie von baptistischer Seite aus mit der Taufe anderer Kirchen um­ge­gan­gen wird. Das ist der Punkt, wo wir möglicherweise dazulernen müssten.

Ein neuer Blick konnte auch neue Er­geb­nisse ans Tageslicht bringen. Man untersuchte, welche Ge­mein­sam­kei­ten und welche Unterschiede es im Taufverständnis gibt. Und es gibt tat­sächlich viel mehr Ge­mein­sam­kei­ten als Unterschiede. Stellt man die Fra­ge, was bei der Taufe geschieht, wel­che Funktion sie erfüllt, wie damit umzugehen ist, so besteht sehr weit­rei­chen­de Einigkeit zwischen Bap­ti­sten und anderen Kirchen.

Die Einigkeit beginnt schon bei den äußeren Formen: Die Taufe erfolgt mit der Verkündigung des Evan­ge­liums, der Taufformel und un­ter Verwendung von Wasser. Sie ist immer eingebettet in die Ge­mein­schaft. Sie ist nicht wie­der­hol­bar und sie kann nicht auf­ge­ho­ben werden. Mit der Taufe ist die Gabe des Heiligen Geistes ver­bun­den. Einig ist man sich mit den anderen Kirchen auch, dass die Taufe und das Bekenntnis des Glau­bens immer zu­sam­men­ge­hö­ren. Beides gehört dazu, wenn Men­schen in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen werden (s.u.).

Unterschiede bestehen in der Frage, wer der eigentlich Han­deln­de in der Taufe ist. Gott, der mit der Taufe sein Heilsangebot an alle Men­schen für den Täufling konkret zur Geltung bringt und es ihm ein für alle Mal zuspricht? Das wird in der Kindertaufe betont. Oder der Mensch, der das Heilsangebot Gottes im Glauben annimmt? Das wird in der Gläubigentaufe betont. Da Bap­tis­ten oft in der Ab­gren­zungs­si­tu­a­tion gelebt haben, haben sie das Letz­tere allerdings über die Maßen be­tont und dabei die neu­tes­ta­ment­li­chen Überlegungen einseitig betont (z.B. Röm 6,1-11 oder 1Kor 6,11-20).

Beides gilt für die Taufe insgesamt. Nie ist es nur der Mensch, der han­delt – auch Gott handelt. An vielen Stellen des Neuen Testamtents wird genau dieses Handeln Gottes im Zu­sam­menhang mit der Taufe betont (s.o). In einem etwas einfachen Vergleich könnte man sagen: Gott und der Mensch reichen sich in der Taufe die Hand.

Von hier ausgehend liegt der zweite Un­terschied in der zeitlichen Ord­nung des Prozesses, wie ein Mensch zum Glauben kommt. Glaube und Tau­fe gehören zusammen, sagen wir als Baptisten. Glaube und Taufe ge­hö­ren aber auch für unsere Ge­schwi­ster in den anderen Kirchen zu­sam­men. Auch sie würden sich miss­ver­stan­den fühlen, wenn man be­haup­te­te, sie seien anderer Mei­nung. Sie ordnen den Prozess an­ders – zu­sam­men gehört es trotz­dem. Das Ele­ment der Konfirmation erfüllt dort den­selben Zweck, wie bei uns das Glaubensbekenntnis bei der Taufe – der gläubige Mensch stellt sich zu dem Handeln Gottes, das in der Taufe an ihm geschehen ist. Man könnte es wie folgt darstellen:
Baptisten:
Lehre –> Glaube und Bekenntnis –> Taufe
andere Kirchen:   
Taufe –> Lehre und Unterricht –> Glaube
Für beide Verständnisse ist un­ab­ding­bar, dass Glaube und Taufe im christ­li­chen Leben zusammengehören.

All das zu sehen, gelingt allerdings nur, wenn man sich nicht Situationen im kirchlichen Leben anschaut, wo es of­fensichtlich nicht richtig läuft, son­dern wenn man sich darauf einlässt, die „Bestgestalt“ (dieses Wort hatte tat­sächlich nicht nur einen ku­li­na­ri­schen Sinn) der jeweils anderen Kir­che wahrzunehmen. Der typische Ab­gren­zungsreflex auf allen Seiten ist allerdings immer darauf bedacht, die Differenz zwischen mir und anderen möglichst groß erscheinen zu lassen und deswegen gerade nicht die Bestgestalt bei den jeweils anderen wahrzunehmen.

Im ökumenischen Miteinander ist es heilsam, wenn man sich dazu erzieht, die „Bestgestalt“ der anderen Kir­chen wahrzunehmen und nicht die ne­gativen Situationen zum Maßstab nimmt. Wichtig dabei ist, dass man auch den anderen Kirchen zutraut, dass sie ihre Erkenntnis in Ver­ant­wor­tung vor Gott gewonnen haben und umsetzen.

Von hier aus stellt sich die Frage nach unserem Umgang mit der Taufpraxis anderer Kirchen unseres Erachtens noch einmal neu.

Liebe Geschwister, Ihr seht, dass uns dieses Thema sehr ausführlich be­schäftigt hat. Wir würden gern mit Euch im nächsten Jahr neu darüber ins Gespräch kommen, Perspektiven aus­tauschen und dazulernen, wo es not­wendig ist. Als Gemeindeleitung ha­ben wir an die­sem Wochenende je­den­falls viel da­zugelernt.

Wer weitere Literatur für das eigene Stu­dium haben möchte, kann sich gern an Simon Werner wenden.

Neben dem Kochen und unserem Haupt­thema „Taufe und Mit­glied­schaft“ haben wir außerdem noch eine reguläre Gemeindeleitungs­sitzung gehabt und am Sonntag selbst­verständlich einen Gottesdienst mit­einander gefeiert. All das war ein­gebunden in fröhliches Singen und Beten.

Herzlich grüßen Euch die Mitglieder der Gemeindeleitung