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Mut ist Angst, die gebetet hat

Ängste gehören zum Leben dazu. Jeder Mensch kennt sich mit Ängsten aus. Und die meisten Ängste haben konkrete Namen. Es gibt Ängste, die sind sehr individuell und persönlich: dass ich erkranke, dass ich pflegebedürftig werde, dass meine Familie zerbricht. Und es gibt Ängste, die mich eher wie ein Grundrauschen begleiten: dass es Krieg gibt, dass sich die wirtschaftliche Lage für alle deutlich verschlechtert, dass Extremisten an die Macht kommen. Vieles macht uns Angst. Und oft genug fühlen wir uns in stürmischen Situationen oder in rauer See. Vielleicht haben wir sogar den Eindruck: Ich gehe unter. Ich halte das nicht mehr lange aus.

Vor 2000 Jahren haben einige Freunde von Jesus genau so eine Erfahrung gemacht: Als sie mit ihm in einem Boot unterwegs waren, ging auf einmal ein starker Sturm los. Die Wellen waren sehr heftig, das Wasser schwappte in das Boot, bis es schon fast vollgelaufen war. Aber Jesus schlief die ganze Zeit seelenruhig hinten im Boot. Die Freunde von Jesus bekamen Panik, weckten ihn und schrien ihn an, ob ihm denn alles total egal sei. Jesus stand auf, stellte sich an Deck gegen den Wind und sprach zu ihm: „Ich warne dich! Hör auf, so zu wüten!“ Sofort wurde der Wind ruhig. Seine Freunde fragte er: „Warum habt ihr so eine Angst? Habt ihr kein Vertrauen zu Gott?“ Aber die sprachen nur untereinander: „Sogar die Wellen und der Wind tun das, was er ihnen sagt!“

Im ersten Moment mag es überraschen, dass man auch mit Jesus in einen Sturm geraten kann. Und mehr noch überrascht es, dass es Jesus zunächst kaum zu kümmern scheint. Aber dann zeigt sich: Jesus ist mächtiger als der Sturm. Und es ist die beste Idee, in seiner Nähe zu sein – auch wenn ich noch mittendrin bin in meiner Situation, in meiner Angst. Und auf einmal verwandelt sich die Situation. Und aus dem eingeschlafenen Jesus und dem brüllenden Sturm wird der eingeschlafene Sturm, der sich der Macht von Jesus unterstellen muss.

Vor 80 Jahren schrieb der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer aus seiner Gefängniszelle heraus: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.“ Die niederländische Christin und Judenretterin Corrie ten Boom bringt es auf den Punkt: „Mut ist Angst, die gebetet hat.“ Wenn wir anfangen zu beten, dann beginnen wir Gott zu vertrauen.

Pastor Hanno Sommerkamp, Baptistenkirche Nordhorn

Der Text ist gleichlautend in den Grafschafter Nachrichten erschienen, Ausgabe vom 4.3.2023.